Kulturkommentar

„Die Sache mit dem Du“

Die Sache mit dem Du

Die Sache mit dem Du

Anna-Lena Schiemann
Apenrade/Aabenraa
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Neu-Praktikantin Anna-Lena Schiemann denkt über deutsch-dänische Etikette-Unterschiede nach.

Um diesen Text wirklich zu verstehen, muss man zunächst einige Dinge über mich wissen. Zum einen bin ich eher introvertiert, zum anderen manchmal unsicher in sozialen Situationen. Und dann tun sich da die absurdesten Probleme auf.

Ein Beispiel: Bei uns in der WG in Deutschland müssen ab und zu mal Dinge repariert werden. Meist sind die Leute, die zur Reparatur kommen, menschlich gesehen super unkompliziert, zwar ein bisschen grummelig, aber freundlich. Da liegt einem dann schnell das „Du“ auf den Lippen. Andererseits siezt man sich doch in Deutschland grundsätzlich, was also tun? Wie oft habe ich mir eine Zwischenform gewünscht, sozusagen ein „Su“ – nicht ganz so formal, aber eben auch nicht ganz so vertraut.In einer meiner ersten Mails an Christian Andresen, Geschäftsführer des „Nordschleswigers“, siezte ich ihn – weil man das eben in Deutschland so macht. Prompt kam die Antwort: „Hier siezt man nur die Königin – aber daran wirst du dich schnell gewöhnen.“

Er sollte recht behalten.

Ich war es von vorherigen Praktika ja gewohnt, dass man sich in Redaktionen duzt (Ja, auch in Deutschland), und doch war es hier noch einmal ein ganz anderes Gefühl. Hier, wo man quasi keine Alternative hat, hatte man direkt das Gefühl, in alles eingebunden zu sein. Nach meiner ersten Woche fühlte ich mich so angekommen, wie nach einem Monat bei einem Praktikum in Deutschland. Sicher, das liegt nicht ausschließlich am generellen „Du“ hier, aber ich denke, es hat schon einen Großteil beigetragen.

Ein Beispiel dafür: Wie viele in meiner Generation mag ich telefonieren nicht wirklich .Irgendwie ist man so gewöhnt, über social media und E-Mails zu kommunizieren, da erscheint es fast unhöflich, jemanden einfach so, ohne Vorwarnung, anzurufen. Und dann legt man sich ja vorher diverse Anredeformeln zurecht: „Ja, Herr Sowieso, hier ist Anna-Lena Schiemann vom Nordschleswiger, hätten Sie vielleicht eventuell Zeit für ein gaaaanz kurzes Interview?“ – und normalerweise schickt man noch eine E-Mail voraus, ob es denn okay wäre, den Herrn Sowieso überhaupt anzurufen. Nach knapp zwei Wochen in Dänemark greife ich mir spontan den Hörer, tippe eine Nummer ein. „Hallo, hier ist Anna-Lena vom ,Nordschleswiger', hast du kurz Zeit?“ Mag für den einen oder anderen vielleicht gar nicht so unterschiedlich klingen. Für mich trennen sich da allerdings Welten. Das „Du“ hier vereinfacht mir vieles. Man ist direkt offener miteinander, kann andere Fragen stellen. Und vor allem fühle ich mich nicht immer so furchtbar alt, wenn mich jemand siezt.

Ich habe da einen Vorschlag, inspiriert von der dänischen Etikette: Ab heute siezen die Deutschen nur noch Angela Merkel, und den Rest dieses komplizierten Gehabes lassen wir einfach wegfallen.

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