Kulturkommentar
„Ohne Angst“
Ohne Angst
Ohne Angst
Ein Kulturkommentar von Laure Saint-Alme, Praktikantin beim „Nordschleswiger“.
Kein großes Tor, kein hoher Zaun, nur Kinder, die Spaß haben. Ich bin an der Deutschen Privatschule Apenrade – und es duftet nach Freiheit ...
Dürfen die Schüler wirklich in einem offenen Hof spielen? Ich meine, ist das nicht gefährlich? Was ist, wenn ein Schüler zu weit weg von der Schule spazieren geht? Sind die Eltern damit einverstanden? Oder was ist, wenn etwas Schlimmeres passiert. Nein, daran mag ich gar nicht denken. Meine erste Reaktion ist Angst.
Ich bin aus beruflichen Gründen für ein Interview an der Schule. Ich folge der Lehrerin in die 6. Klasse. Vor dem Klassenzimmer kommt gleich eine Schülerin auf mich zu und begrüßt mich mit Selbstvertrauen und einer Natürlichkeit, die signalisiert, dass sie mich gerne näher kennenlernen möchte.
Ich bin überrascht und beeindruckt von dieser offenen Reaktion dieser Zwölfjährigen und bekomme mit meinen 19 Jahren daher nur ein leises und scheues „Hallo“ über die Lippen. Später bittet die Lehrerin vier Schüler, mit mir in die Kantine zu gehen. So können sie mir selbst über ihre Schulreise erzählen. Es gibt keinen Erwachsenen, der sie dabei überwacht oder das Sagen hat. Die Schüler sind reif und selbstständig.
Ich denke noch einmal an die Kinder auf dem offenen Schulhof – aber dieses Mal, ohne Angst. Sie sind keine potenziellen Opfer, die es zu schützen gilt. Meine Angst ist meinem französischen Hintergrund und den Erfahrungen von zu Hause geschuldet. Denn dort sind die Schüler im wahrsten Sinne des Wortes eingegrenzt. Die 11- bis 15-jährigen Schüler gehen ans „College“. Dort gibt es tatsächlich ein großes Tor, einen hohen Zaun, und die Jugendlichen dürfen nur im geschlossenen Hof spielen.
Ja, es gibt auf der einen Seite ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, aber es ist auch ein Grund dafür, dass die französischen Schüler ihre Schule als „Gefängnis“ betrachten. Es fehlt die Freiheit.