Kulturkommentar

„Mulmiges Gefühl beim Sankt-Hans-Feuer“

Mulmiges Gefühl beim Sankt-Hans-Feuer

Mulmiges Gefühl beim Sankt-Hans-Feuer

Jana Surkus
Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Andere Länder, andere Sitten. Zur Sommersonnenwende brennen in Dänemark die Sankt-Hans-Feuer. Die Kunstkonsulentin des Bundes Deutscher Nordschleswiger, Jana Surkus, fragt sich in einem Kulturkommentar, ob sie die einzige ist, die es befremdlich findet, dass dabei Puppen verbrannt werden.

Wenn man, wie ich, Zugezogene ist, dann wundert man sich manchmal über die Bräuche des Landes, in dem man gelandet ist. Katzen in Tonnen zum Beispiel.

Diese Woche wundere ich mich über Sankt Hans. Ich blicke auf eine Einladung zu einem Sankt-Hans-Feuer mit der ganzen Familie. Es wird gegrillt und, wie könnte es anders sein, „hyggelig“ wird es auch. Neben dem Text ist ein verpixeltes Bild mit einem Lagerfeuer, darin eine freundlich lächelnde, junge Frau.

Sankt Hans. Das Fest zur Sommersonnenwende, an dem wir uns treffen, schnacken und Frauen auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Ich will ehrlich sein, ich tue mich schwer mit dieser Tradition.

Mir ist vage bewusst, dass es in Deutschland und anderen Ländern verwandte Traditionen gibt. Und bitte versteht mich nicht falsch. Ich bin ein großer Lagerfeuer-Fan und wenn man Gemeinsamkeiten in den Kulturen findet und miteinander feiert, ist das toll. Aber ich kann mir nicht helfen. Ich würde mir wünschen, dass Frauenfeindlichkeit nicht das Merkmal wäre, dass unsere Kulturen über alle Grenzen eint. Denn egal wie bunt und magisch und fantastisch die Assoziationen mit dem Sankt Hans Feuer sind, so real ist es doch, dass ihr Ursprung bei echten Menschen ist. Frauen, die an Leitern gebunden und auf ein brennendes Feuer geworfen wurden, schwangere Frauen, die mit Stöcken zu Tode geprügelt wurden, bedroht, gefoltert, gedemütigt – weil ein Sündenbock gesucht wurde, weil sie zu einflussreich und unbequem geworden waren, weil jemand neidisch war oder weil sie schon vorher ausgegrenzt waren wegen Krankheit, Einsamkeit oder schlicht Andersartigkeit. 

Selbst als das Hexenverbrennen in weiten Teilen aus der Mode geriet (und das ist es leider an manchen Orten bis heute nicht). So wurde das Feuer mit der Hexenpuppe beibehalten – zum Schutz vor bösen Geistern und Hexen. Die Botschaft: Bleibt ja weg, hier verbrennen wir Hexen, wenn sie uns quer kommen. Die Puppe wirkte wie eine Abschreckung. Eine Drohung mit einer sehr realen Geschichte, was mit Menschen passiert, die anders sind, unbequem oder aufmüpfig … oder einfach weiblich. Es bereitet mir Bauchschmerzen, dass mit dieser Tradition nie gebrochen wurde und sie nie umgedeutet wurde, sondern, dass es heute das gleiche Fest ist wie damals und ich frage mich, ob ich die einzige bin, der es so geht.

Mehr lesen

Leitartikel

Marle Liebelt Portraitfoto
Marle Liebelt Hauptredaktion
„Neuwahlen in Deutschland? Minderheit könnte von einem Ampel-Aus profitieren“

Leserbrief

Christel Leiendecker
„Die Kreativen unterstützen ein reiches und vielfältiges Geschäftsleben “