Kulturkommentar
„Mein erster Hoodie“
Mein erster Hoodie
Mein erster Hoodie
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Ein modisches Accessoire hat nach vielen Jahren seinen Weg zum „Nordschleswiger“-Redakteur Helge Möller gefunden, der sich nicht ganz sicher ist, wie er das finden soll.
Da kann man mal sehen: Da wollte ich doch gerade Hoody schreiben, wo doch selbst der Duden weiß: Hoodie. So gut kenne ich mich also mit dem Kapuzenpullover aus. Er war nie meine Wahl, er war mir geradezu suspekt. Doch nun habe ich mir einen gekauft – und das mit Ende 53. Ist das gelebte Midlifecrisis? Wenn es so wäre, wäre diese Krise dann auch noch verspätet, die Mitte ist längst vorbei. 106 Jahre auf Erden werden es nicht werden.
Den Hoodie hat den Berichten zufolge die Firma Champion vor gut 100 Jahren erfunden – für Sportlerinnen und Sportler. Kapuzen mit Ärmeln trugen aber schon die Mönche – die Teile waren mit Sicherheit wenig flauschig.
Das mit dem Hoodie kam so: Je älter man wird, desto mehr wird deutlich: Sport ist dann doch nicht ganz verkehrt, will man einigermaßen aufrecht und aktiv das letzte Drittel durchhalten.
So habe ich mich in einem Sportverein angemeldet. Um meine Verbundenheit auszudrücken und weil es dort im Verein wirklich Spaß macht, Sport zu treiben, wollte ich das vereinseigene Kleidungsstück erwerben – und das ist nun mal ein Hoodie. Neulich sagte dort einer der Älteren zu einem Teenager: „Komm man erst einmal in mein Alter, ich bin 35!“ Und er trägt gern Hoodie. Daraus ergibt sich: 1. Alter ist relativ 2. Der Hoodie wird auch bei Nicht-Jugendlichen als legeres Kleidungsstück erster Wahl betrachtet. 3. Ich habe offensichtlich den Sprung zum Hoodie irgendwann mal verpasst.
So wurde es Jahr um Jahr schwerer, auf den Zug aufzuspringen, und irgendwann wirkt es vielleicht albern. Ist dieses Kleidungsstück für Jugendliche reserviert? Eigne ich mir also Jugendkultur an? Was machen junge Leute, wenn ihr Hoodie gekapert wird? Man sagte und schrieb, sie hätten Facebook in Scharen verlassen, als immer mehr Ältere das soziale Medium für sich entdeckten. Werden sie ihre Hoodies verlassen? Das sieht derzeit nicht so aus, und eine junge Vereinskameradin versicherte mir, sie könne damit leben, wenn Ältere den Kapuzenpulli tragen.
Bleibt noch dieses eigenwillige Gefühl, ist der Hoodie böse, oder ist er es nicht? Der „Rolling Stone“ hat über das Kleidungsstück geschrieben und viele andere auch. Auch sie stellen fest, dem Hoodie haftet, wenn nicht etwas Kriminelles, dann doch der Underground an.
In ihrem Podcast spricht Aminata Belli von einem Doppelleben des Hoodies. Er hat keine zwei Kapuzen, aber dafür zwei Gesichter. Wer in ihm steckt, bleibt anonym, kann für sich sein, wird aber auch als Bedrohung verstanden – zu Recht oder zu Unrecht. Er ist längst von der Modewelt vereinnahmt, hat aber auch etwas Politisches, Rebellisches an sich. Er ist ein Statement, Mark Zuckerberg, Facebook-Gründer, trägt ihn wie auch Robert Habeck, Grünen-Politiker und Wirtschaftsminister.
Ich werde ihn wohl erst einmal dafür nutzen, wofür er einst gemacht wurde, fürs Training, damit man nicht in den Pausen oder auf dem Weg zum Training auskühlt. Das Statement überlasse ich anderen. Die sind auch jünger.