Kulturkommentar
Gucken statt klicken
Gucken statt klicken
Gucken statt klicken
Ein Kulturkommentar von Claudia Knauer, Büchereidirektorin des Verbandes Deutscher Büchereien Nordschleswig.
In die Ode auf das Smartphone mag ich nicht einstimmen. Jedenfalls nicht aus voller Kehle.
Der Minicomputer in der Hosentasche ist eine gute Sache, zweifelsohne. Ich kann noch während der Fahrt von Röm nach Tondern feststellen, dass die Wiedaustadt erstaunliche 7.587 – mit unserer neuen Büchereileiterin jetzt 7.588 – Einwohner hat.
Ich kann die Familie im Bild festhalten und Erinnerungen mit anderen teilen. Ich kann aber auch verzweifeln, weil die Menschen die Welt nur noch durch den Sucher sehen.
Im Amsterdamer Van-Gogh-Museum haben die Museumsangestellten den ganzen Tag – gefühlt zumindest – nichts anderes zu tun, als die Gäste darauf hinzuweisen, dass das Fotografieren verboten ist. Egal – alle halten drauf, gerne auch mit Selfiestick.
Sonnenblumen, Sämann, Briefe des Bruders – alles wird abgelichtet. Noch schlimmer im Rijksmuseum. Hier ist Fotografieren erlaubt. Die Menschenmenge schiebt sich durch die Räume und klickt auf den Auslöser und klickt und klickt. Und guckt kein bisschen.
Es ist zu fürchten, dass all die vielen Bilder im digitalen Orkus landen und damit dem Vergessen anheim gegeben sind. Wozu die Bilder vom Spiegel, den der holländische König William als Hochzeitsgeschenk für seine Tochter Prinzessin Marianne, orderte, die Prinz Albert von Preußen 1830 heiratete? Erstens gibt es tolle Abbildungen auf der Website des Museums, und zweitens kann man so die Geschichte dieser durch und durch emanzipierten Frau gar nicht würdigen, die sich schlussendlich scheiden ließ, vom Kutscher ein Kind bekam und mit ihm zusammenlebte.
Wer nur Bilder mit dem Smartphone schießend durch die Ausstellung huscht, bekommt die besten Geschichten gar nicht mit. Die schreibt das Leben. Das echte.