Kulturkommentar
„Eine Grenze der Digitalisierung“
Eine Grenze der Digitalisierung
Eine Grenze der Digitalisierung
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Die langen Staus an der Grenze, verursacht durch Grenzkontrollen, sind derzeit in aller Munde. Neben einer physischen Grenze existiert zu Deutschland eine weitere Grenze – die der Digitalisierung – die sich für Zugezogene in Dänemark bemerkbar macht. Für „Nordschleswiger“-Praktikant Kilian Neugebauer ist dies aber auch eine Frage der Mentalität.
„MitID, E-Boks, Sundhed.dk“: Die Liste der digitalen Angebote des dänischen Staats ist lang, die digitalen Möglichkeiten vielfältig. Während Dänemark mit der „MitID“ die bereits zweite Generation einer „digitalen Identität“ vorstellt, debattiert man in Deutschland weiter darüber, wie digitales und ein penibler Datenschutz zusammenpassen könnten. Schon lang hat sich die dänische Regierung dazu verpflichtet, standardmäßig digital zu werden.
„Das Papier soll nur als letztes Mittel verwendet werden“, so das dänische Außenministerium. In Deutschland ist dies weiterhin unvorstellbar – die Umsetzung einer Impfpflicht wurde erst Anfang dieses Jahres durch die Krankenkassen aufgrund von Papiermangels kategorisch ausgeschlossen. Nein, das ist keine Satire. Losgelöst von den Diskussionen der Impfungen zeigt dies, wie Deutschland digital aufgestellt ist.
Ein Blick nach Dänemark verrät …
Diejenigen, die den Blick über die kontrollierten Grenzen nach Dänemark wagen, erwartet bislang unvorstellbare Möglichkeiten getreu des „E-Government“ Prinzips. Stundenlanges Warten, um Aufgaben bei einer Behörde zu erledigen? Behördliche Dokumente per Fax zustellen? Nicht in Dänemark. Statt per Post, kontaktiert der Staat oder die Kommunen die Bürgerinnen und Bürger in einem digitalen Postfach mit der Möglichkeit, direkt zu antworten.
Auch die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie schnell die dänische Regierung eine zentrale Lösung vorstellen kann, um der eigenen Bevölkerung effizient Tests und Impfungen anzubieten, während Menschen in Deutschland mitunter stundenlange Wartezeiten für Impftermine oder Tests in Kauf nehmen mussten.
Eine Frage der Mentalität der Bevölkerung und der Politik
Woran liegt es, dass dieser Unterschied – eine wahrnehmbare Grenze der Digitalisierung – zwischen Dänemark und Deutschland existiert? Viele Argumente im öffentlichen Diskurs berufen sich darauf, dass Dänemark als bevölkerungstechnisch kleineres Land sich einfacher zu organisieren weiß. Aber auch Deutschland hätte durch seine politische Kompetenzaufteilung der Bundesländer die Möglichkeit dazu, sich digitaler zu organisieren. Der Kern digitaler Unterschiede zwischen Deutschland und Dänemark ist viel mehr eine Frage der Mentalität der Bevölkerung und Politik.
Eine digitale Bürgerin oder Bürger ist mitunter auch gläsern. Wenn Steuern, Amtsbesuche und ärztliche Dokumente digital behandelt werden, sind diese Daten digital hinterlegt – auch wenn diese in Dänemark dank einer „MitID“ verschlüsselt sind. So scheitert es in Deutschland an dem Vertrauen an eine digitale Zukunft, die moderne Lösungen langfristig ausbremst und positive Aspekte, wie sie in Dänemark für Zugezogene aus Deutschland spürbar sind, häufig ausblendet.
Statt die digitalen Lösungen auszuprobieren, werden diese vermehrt angezweifelt in Deutschland. Die dänische Bevölkerung beweist damit mehr Vertrauen in ihre Politik. Die deutsche Zurückhaltung mag jedoch auch historische Gründe haben – aus Angst vor einem Überwachungsstaat, der die Daten nicht sorgfältig behandeln könnte.
So bleibt es ein Thema unter Zugezogenen, wie digital und zeitgemäß Dänemark aufgestellt sei – sobald jene die Vorteile der digitalen Infrastruktur nach Erhalt der „MitID“ genießen können. Skepsis wandelt sich dann in ein Staunen um, wie digitale Lösungen den Alltag erleichtern und beispielsweise einen Behördengang ersparen können.
Und weiter warte ich darauf, ob der Industriestandort Deutschland, sich etwas beim kleineren Nachbarland Dänemarks abschaut und digitale Lösungen anbietet, die zum Umdenken verleiten – fern von analogen und überholten Ideen.