Kulturkommentar
„Einmal über die Grenze und zurück“
Einmal über die Grenze und zurück
Einmal über die Grenze und zurück
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Praktikantin und Flensburgerin Rahel Stäcker schreibt über ihre Erfahrungen, die sie auf der anderen Seite der Grenze während ihrer Zeit beim „Nordschleswiger“ gemacht hat.
Als ich die Zusage für mein Auslandspraktikum beim „Nordschleswiger“ in Apenrade bekam, fühlte es sich gar nicht so an, als ginge ich ins Ausland. Als gebürtige Flensburgerin war die nahe gelegene Grenze für mich seit jeher nichts weiter als der Ort, an dem die Straßenschilder plötzlich ein wenig anders aussehen und ich der Sprache nicht mehr mächtig bin.
Dass ich in meinen 24 Jahren nie richtig Dänisch gelernt habe, obwohl ich aus der vielseitigen Grenzregion komme, hat mich dann spätestens beim Start in mein Praktikum ziemlich frustriert. Als Kind hatte ich zwar kaum Lust, die Sprache meiner Nachbarn zu lernen, jetzt ließ ich meinen Unmut aber auch ein wenig an meinen Eltern aus – hätten sie mich doch mal ein bisschen motiviert. Diese Aussage quittierte mein Vater nur mit einem Lachen.
Doch glücklicherweise kommt man in Apenrade auch mit Deutsch und Englisch weit. Eine junge Verkäuferin im Supermarkt, mit der ich auf Englisch schnackte, schaute mich ganz erstaunt an, als ich sagte, dass ich aus Flensburg komme. Sie hatte Großbritannien getippt. Dass ich einen britischen Akzent habe, war mir neu. Da ihr Deutsch aber ähnlich mangelhaft war wie mein Dänisch, blieben wir bei Englisch und unterhielten uns eine ganze Weile. Da fiel mir auch wieder etwas auf, das ich schon mehrmals bemerkt hatte: die Freundlichkeit und Lockerheit der Däninnen und Dänen.
Entgegen der weit verbreiteten Meinung, dass die Norddeutschen ein raues Völkchen seien, habe ich das eigentlich nie so wahrgenommen. Und trotzdem bemerkte ich auf der anderen Seite der Grenze einen Unterschied. Sehr zu meiner Freude. Auf der Straße grüßten mich wildfremde Leute. Ein Busfahrer dirigierte mich einmal quer durch Rothenkrug und setzte mich genau dort ab, wo ich hinwollte. Der Mitarbeiter im Imbiss gegenüber von meinem Haus gab mir einmal eine XXL-Pizza mit, ohne dass ich bezahlt hatte. Der Grund: Ich hatte kein Bargeld, und er konnte keine Kartenzahlung anbieten – ja, richtig gelesen.
Als ich am nächsten Tag zum Zahlen kam und ihm Trinkgeld gab, wollte er es gar nicht annehmen. Und als ich in Corona-Quarantäne war, erfuhr ich von meinen Kolleginnen und Kollegen so viel Hilfsbereitschaft, dass es mir schnell besser ging.
Auch wenn ich an vielen Wochenenden in Flensburg bei meiner Familie war, freute ich mich montagmorgens immer wieder, wenn es zurück nach Apenrade und in die Redaktion ging. Sollte die nächste Wasserrechnung des „Nordschleswigers“ ungewohnt hoch ausfallen, dann sicher nur, weil ich mir vermutlich mehrere Liter Tee pro Tag einverleibte. Und einige Tippfehler sind bestimmt nur darauf zurückzuführen, dass ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen so herrlich schnacken konnte und ich sie vermutlich nicht selten von der Arbeit ablenkte. Zumindest für einen Moment. Diese Entspanntheit wünsche ich mir auch mehr in Deutschland.
Dass die Zeit rennt, mag eine Floskel sein. Aber sie hat definitiv ihre Daseinsberechtigung. Denn ehe man sich versieht, sind drei Monate vergangen. Und am Ende hat sich meine Reise wirklich so angefühlt: wie einmal über die Grenze und zurück.