Theater
„Leuchtturmprojekt Liebesgeschichte: Romeo und Julia“
Leuchtturmprojekt Liebesgeschichte: Romeo und Julia
Leuchtturmprojekt Liebesgeschichte: Romeo und Julia
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Brauchen wir Romeo und Julia noch? Diese Frage stellt sich „Nordschleswiger“-Mitarbeiterin Hannah Dobiaschowski, schwärmt aber gleichzeitig von der Inszenierung des shakespeareschen Stückes vom Theater am Mühlenstrom in Hadersleben.
Romeo und Julia, die größte Liebesgeschichte aller Zeiten. So sagen die einen. Ist man weniger romantisch veranlagt, könnte man das anders sehen: Romeo und Julia, zwei sehr junge Teenager, machen Dummheiten.
Doch egal, wie man es sieht, sollte man sich auf jeden Fall die Inszenierung des Theaters am Mühlenstrom (Teatret Møllen) in Hadersleben ansehen.
Unter der Regie von Rasmus Ask feierte das Stück mit einem Jahr pandemiebedingter Verspätung endlich Premiere.
Viel ist im Vorfeld darüber berichtet worden, das Leuchtturmprojekt des Festjahres 2020 sollte es sein. Zweisprachig, wie es sich für das Grenzland gehört. Julias Familie spricht Deutsch, Romeos Familie Dänisch. Theaterchef Nikolaj Mineka sagte vor der Premiere, dass er bestimmt fünf Jahre an diesem Projekt gearbeitet habe.
Umso schöner, dass diese Inszenierung in diesem Jahr noch eine Chance bekommen hat!
Denn sie hatte es wirklich in sich: modern, schnell und intensiv. Das Bühnenbild von Laura Rasmussen besteht aus verschiedenen schwarzen Ebenen, die unendliche spielerische Möglichkeiten zulassen und die das zehnköpfige deutsch-dänische Ensemble auch voll nutzt.
Am Anfang ist das wilde Hin- und Herspringen, Tollen und Rollen der Akteure etwas gewöhnungsbedürftig, ergibt aber Sinn und spiegelt die aufgepeitschte Atmosphäre wider, die zwischen den verfeindeten Familien Montague und Kapulet herrscht, und in deren Mitte sich die Kinder ineinander verlieben. Ja, Kinder, das muss man schon so sagen. Julia ist erst 13.
Sie ist perfekt besetzt mit der deutschen Schauspielerin Andrea Spicher, die eine kindliche Julia zeigt, kindlich verliebt, kindlich verzweifelt. Sie steigt von Anfang an auf einem sehr energiegeladenen Niveau ein und schafft es, dieses Niveau über drei Stunden zu halten, sich sogar noch zu steigern, auch in den stillen Momenten. So ist sie es, die den Abend trägt. Daneben ein sehr souveräner Romeo, gespielt von Jens Kepny Kristensen, der ebenfalls die Kindlichkeit der Rolle perfekt zeigt, neben Julia aber etwas blass wirkt. Man nimmt den beiden das Paar aber ab, auch wenn die shakespearsche Schnelligkeit der Ereignisse etwas befremdlich wirkt.
Überhaupt muss man sagen, dass das Ensemble perfekt aufeinander abgestimmt ist, das schauspielerische Niveau ist bei allen hoch und ein wahrer Genuss.
Thomas C. Rønne glänzt zum Beispiel durch eine hervorragende und sehr feine Komik, die die Figur des Prinzen Paris ins Lächerliche zieht und zeigt, dass er nicht der geeignete Gemahl für Julia ist, ohne dabei unangenehm zu wirken.
Ole Sørensen spielt die Amme. Ein Mann in Frauenkleidern? Kein Problem! Man nimmt es ihm ab, die Darstellung seiner (oder ihrer) Zerrissenheit zwischen Julia und ihren Eltern, zwischen Helfenwollen und Kleinbeigeben, gemischt mit komischen Einschlägen, ist so überzeugend, dass man sich die Frage nicht stellt, warum diese Rolle mit einem Mann besetzt ist.
Am herausragendsten und mit der besten schauspielerischen Leistung des Abends ist Iza Mortag Freund hervorzuheben. Sie spielt Julias Cousin Tybalt, und auch hier stellt sich nicht die Frage, warum diese Rolle mit einer Frau besetzt ist. Streitsüchtig, aggresiv und mit einer raumgreifenden Körperlichkeit, die gleichzeitig bis in die kleinsten Gesten perfekt ausbalanciert ist, gepaart mit einer beeindruckenden Sprachlichkeit fesselt sie das Publikum.
So ist es wahrlich schade, dass Tybalt kurz nach der Pause den Bühnentod erleidet und somit nicht mehr zu sehen ist.
Insgesamt kann man sagen, dass es Regisseur Rasmus Ask gelingt, alle Komponenten der Inszenierung perfekt aufeinander abzustimmen, alles greift ineinander, nichts wirkt gewollt oder übertrieben. Männer in Frauenrollen und umgekehrt erscheinen ebenso selbstverständlich wie der Umgang mit der Zweisprachigkeit. Auch wenn im direkten Vergleich die dänische Sprache mit der deutschen an Komplexität nicht mithalten kann.
Bleibt am Schluss noch eine Frage, die mit der hervorragenden Inszenierung nichts zu tun hat, sondern mit dem Inhalt des Stückes. Brauchen wir Romeo und Julia noch? Können wir wirklich von der schönsten Liebesgeschichte der Welt sprechen, wenn es doch auch um eine Kinderehe geht? Natürlich, so könnte man argumentieren, stammt das Stück aus einer anderen Zeit, Julia wählt Romeo freiwillig. Sie soll aber auch im Schnelldurchgang mit Paris verheiratet werden, gegen ihren Willen. Ihr Vater verstößt sie, als sie nicht gehorchen will. Patriarchat in Reinform. Man sollte sich fragen, wie man mit so einem Stoff umgeht, den wir als großes Kulturerbe ansehen, gleichzeitig aber verurteilend mit dem moralischen Finger auf Gesellschaften zeigen, in denen Kinderehen und Patriarchat noch existieren.
Ja, darüber kann man gerne mal nachdenken.