Gaspipeline
USA und Deutschland erzielen Durchbruch bei Nord Stream 2
USA und Deutschland erzielen Durchbruch bei Nord Stream 2
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Die Gaspipeline Nord Stream 2 sorgt seit Jahren für massiven Streit zwischen den USA und Deutschland. Nun ist beiden Seiten eine Einigung gelungen. Im Zentrum steht die Ukraine.
Nach jahrelangem Streit haben die USA und Deutschland einen Durchbruch im Konflikt um die deutsch-russische Pipeline Nord Stream 2 erzielt.
Beide Länder veröffentlichten am Mittwoch eine gemeinsame Erklärung. Außenminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich erleichtert, mit den USA eine konstruktive Lösung gefunden zu haben. Deutschland und die USA wollen demnach die Ukraine beim Aufbau eines «grünen Energiesektors» unterstützen und sich dafür einsetzen, den Gastransit durch die Ukraine im nächsten Jahrzehnt zu sichern. «Wir stehen als transatlantische Partner fest an der Seite der Ukraine», erklärte Maas.
Die beinahe fertiggestellte Ostsee-Pipeline soll russisches Gas nach Deutschland bringen - unter Umgehung der Ukraine, die auf die Einnahmen aus dem Gas-Transit angewiesen ist. Die USA hatten Nord Stream 2 jahrelang massiv kritisiert, wollen nun aber auf weitere Sanktionen verzichten. In der Erklärung wird Russland davor gewarnt, Energie als politische «Waffe» einzusetzen - dies ist die größte Befürchtung in den USA.
Der Durchbruch bei dem größten Konfliktpunkt soll auch helfen, den angestrebten Neustart in den deutsch-amerikanischen Beziehungen nach den schwierigen Jahren unter dem früheren US-Präsidenten Donald Trump zu erleichtern. «Die Einigung zeigt auch, dass Deutschland und die USA wieder eng zusammengerückt sind», sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).
In der gemeinsamen Erklärung der USA und Deutschlands heißt es, es liege im Interesse der Ukraine und Europas, den Gastransit durch die Ukraine auch über 2024 hinaus fortzusetzen. Bis dahin läuft ein Vertrag zwischen der Ukraine und Russland. Die Transitgebühren sind für die Ukraine immens wichtig.
Deutschland verpflichtet sich demnach dazu, alle verfügbaren Einflussmöglichkeiten zu nutzen, um eine Verlängerung des Gastransitabkommens der Ukraine mit Russland um bis zu zehn Jahre zu ermöglichen. Dafür soll ein Sondergesandter ernannt werden. Die Verhandlungen sollten so bald wie möglich, spätestens aber am 1. September, beginnen. Die Vereinigten Staaten verpflichten sich dazu, diese Bemühungen uneingeschränkt zu unterstützen. Deutschland sagte außerdem technische Unterstützung zu beim Anschluss des ukrainischen Stromnetzes an das europäische Stromnetz.
Weiter heißt es in der Erklärung: Sollte Russland versuchen, «Energie als Waffe» zu benutzen, oder weitere aggressive Handlungen gegen die Ukraine begehen, werde Deutschland auf nationaler Ebene handeln und in der Europäischen Union auf effektive Maßnahmen einschließlich Sanktionen drängen. Ziel wäre es dann demnach, die russischen Kapazitäten für Exporte nach Europa im Energiesektor, auch bei Gas, zu beschränken - beziehungsweise effektive Maßnahmen auf anderen wirtschaftlich relevanten Gebieten. «Diese Zusage zielt darauf ab sicherzustellen, dass Russland keine Pipeline, einschließlich Nord Stream 2, zur Erreichung aggressiver politischer Ziele einsetzt, indem es Energie als Waffe nutzt», hieß es.
Zugleich soll die Ukraine darin unterstützt werden, unabhängiger von russischem Gas zu werden. Deutschland will einen «Grünen Fonds» für die Ukraine einrichten und verwalten, mit dem die Energiewende, die Energieeffizienz und die Energiesicherheit der Ukraine gefördert werden soll.
«Deutschland und die Vereinigten Staaten werden sich bemühen, Investitionen in den Grünen Fonds für die Ukraine in Höhe von mindestens einer Milliarde US-Dollar zu fördern und zu unterstützen, darunter auch von Dritten, etwa aus dem Privatsektor», hieß es. Deutschland werde zunächst mindestens 175 Millionen US-Dollar (knapp 150 Millionen Euro) als Zuwendung in den Fonds einzahlen und auf eine Steigerung seiner Zusagen in den kommenden Haushaltsjahren hinarbeiten. Der Fonds solle die Nutzung erneuerbarer Energien fördern, die Entwicklung von Wasserstoff als Energieträger erleichtern, die Energieeffizienz erhöhen, den Kohleausstieg beschleunigen und Kohlenstoffneutralität unterstützen. Insgesamt verspricht Deutschland der Ukraine Finanzhilfen in Höhe von 245 Millionen US-Dollar (208 Millionen Euro).
Die Top-Diplomatin Victoria Nuland aus dem US-Außenministerium sagte am Mittwoch bei einer Anhörung im Kongress, die Regierung von US-Präsident Joe Biden sei weiterhin der Überzeugung, dass Nord Stream 2 «ein schlechter Deal» sei, der die Abhängigkeit Europas von russischer Energie verstärke. «Das ist eine schlechte Situation und eine schlechte Pipeline, aber wir müssen helfen, die Ukraine zu schützen, und ich habe das Gefühl, dass wir mit dieser Vereinbarung einige wichtige Schritte in diese Richtung gemacht haben.»
Deutliche Kritik kam allerdings aus Polen und der Ukraine. Beide Länder warnten in einer gemeinsamen Mitteilung der Außenministerien, diese Entscheidung habe eine «politische, militärische und energietechnische Bedrohung für die Ukraine und Mitteleuropa geschaffen». Zugleich erhöhe sie das Potenzial, dass Russland die Sicherheitslage in Europa weiter destabilisiere. «Leider können die bisherigen Vorschläge zur Deckung des Sicherheitsdefizits als nicht ausreichend angesehen werden, um die Bedrohungen durch Nord Stream 2 wirksam einzudämmen», hieß es in der Erklärung.
Lob kam aus Moskau: «Diese Vereinbarung gibt uns die Möglichkeit, den Bau von Nord Stream 2 in Ruhe abzuschließen und den Betrieb vollständig aufzunehmen», sagte Wladimir Dschabarow vom Föderationsrat - das Oberhaus des russischen Parlaments - der Agentur Interfax. Zugleich stellte er Bedingungen für eine mögliche Verlängerung des Transitvertrags durch die Ukraine: Die Ukraine sollte sich als «konstruktiver Partner» unter Beweis stellen. Bei «normalen Bedingungen» werde niemand Druck ausüben auf die Ukraine. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte der Staatsagentur Ria Nowosti, die Verhandlungen über einen neuen Transitvertrag dürften nur von rein «kommerziellem Charakter» sein.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) telefonierte am Mittwoch nach Regierungsangaben mit dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin - Thema dabei war auch Nord Stream 2. Merkel dürfte Putin den Durchbruch im Streit mit den USA erläutert haben.
Wie die Betreiberfirma Mitte Juli erläutert hatte, soll die Ostseepipeline in einigen Wochen fertiggestellt sein. «Wir gehen davon aus, dass die Bauarbeiten Ende August beendet sind», hatte der Vorstandschef der Nord Stream 2 AG, Matthias Warnig, dem «Handelsblatt» gesagt. Mittlerweile seien 98 Prozent der Pipeline fertiggestellt. Ziel sei es, die Erdgas-Pipeline noch in diesem Jahr in Betrieb zu nehmen.
Die deutsche Wirtschaft in Russland lobte die Einigung zwischen den USA und Deutschland. «Es ist ein gutes Zeichen, dass Washington und Berlin ihren Streit (...) beigelegt haben und die für Europa äußerst wichtige Gasverbindung fertiggestellt werden kann», sagte der Präsident der deutsch-russischen Auslandshandelskammer (AHK), Rainer Seele. «Gerade in schwierigen Zeiten ist es wichtig, dass es solche Leuchtturmprojekte zwischen Russland und Europa gibt.»
Biden und Merkel hatten am vergangenen Donnerstag in Washington einen Neustart in den deutsch-amerikanischen Beziehungen beschworen, nach schwierigen Jahren unter Bidens Vorgänger Trump. Biden sagte dabei, er habe Merkel gegenüber nochmals seine Bedenken bezüglich der Pipeline ausgedrückt. Russland dürfe diese nicht nutzen, um «die Ukraine auf irgendeine Weise zu erpressen».
Merkel sagte nach dem Treffen in Washington, Nord Stream 2 sei ein zusätzliches Projekt und keine Alternative zum Gastransit durch die Ukraine: «Unser Verständnis war und ist und bleibt, dass die Ukraine Transitland für Erdgas bleibt.» Merkel machte deutlich, man werde «auch aktiv handeln», falls Russland das Recht der Ukraine auf Gastransit nicht einlösen werde.
In den USA gibt es seit Jahren parteiübergreifend Widerstand gegen Nord Stream 2. Die Einigung dürfte im Kongress daher auf starken Widerstand stoßen. Dort lehnen viele Republikaner das Projekt ab und fordern Sanktionen, genauso wie einige von Bidens Demokraten.
Kritiker sehen in der Pipeline ein geopolitisches Projekt Russlands, das die Energiesicherheit Europas gefährde. Sie bemängeln außerdem, dass die Pipeline der Ukraine schaden könnte. Kiew ist auf Milliardeneinnahmen aus dem russischen Gastransit angewiesen. Befürworter der Pipeline wiederum werfen den USA vor, nur ihr eigenes, teureres Gas in Europa absetzen zu wollen.