IPCC-Bericht

„Die Gesellschaft muss umdenken“

„Die Gesellschaft muss umdenken“

„Die Gesellschaft muss umdenken“

Malte Cilsik
Dänemark/Apenrade
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Regen
In Dänemark müssen sich die Leute nach dem IPCC-Bericht unter anderem auf mehr Starkregen einstellen. Foto: dpa

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Der IPCC schreibt in seinem sechsten Sachstandsbericht erstmals auch über regionale Klimafolgen. In Nordeuropa gelegen, muss Dänemark unter anderem mit mehr Starkregen und heftigen Stürmen rechnen. „Der Nordschleswiger“ hat einen Forscher vom Dänischen Meteorologischen Institut zu den Ergebnissen befragt.

„Es ist eindeutig, dass menschliches Handeln die Atmosphäre erwärmt hat.“ Nachdem im vorherigen Bericht des Weltklimarates (IPCC) nur der Wandel selbst als eindeutig und der menschliche Beitrag lediglich als „sehr wahrscheinlich“ bezeichnet wurde, haben die über 230 Hauptautoren nun keine Zweifel mehr: Der Mensch ist hauptverantwortlich für die globale Erwärmung und den beobachteten Klimawandel.

Sechster Sachstandsbericht des IPCC

Der IPCC ist eine Einrichtung der Vereinten Nationen (UN). In regelmäßigen Abständen beauftragt er führende Fachleute, den Wissensstand der Klimaforschung zusammenzutragen und zu bewerten.

Nun haben sie den ersten von insgesamt drei Bänden des sechsten Sachstandsberichts veröffentlicht – mit besorgniserregenden Fakten: Das vergangene Jahrzehnt war rund 1,1 Grad wärmer als die Zeit von 1850 bis 1900, über der Landfläche waren es sogar 1,6 Grad.

Immer schneller steigt der Meeresspiegel, derzeit im Schnitt um 3,7 Millimeter pro Jahr. Der CO2-Gehalt ist 47 Prozent höher als vor der Industrialisierung, bei Methan sind es sogar 156 Prozent.

Es ist eindeutig, dass menschliches Handeln die Atmosphäre erwärmt hat.

Weltklimarat (IPCC)

Das sind Extremwerte, wie sie seit Jahrtausenden nicht mehr vorgekommen sind. Und noch deutlicher als im vorherigen Bericht wird klar, dass sie Konsequenzen mit sich bringen.

Zum ersten Mal betrachtet der IPCC-Bericht die Klimafolgen regional – dank einer verbesserten Datenlage und feinerer Modelle ist dies nun möglich. Dänemark gehört dabei zu Nordeuropa (NEU).

Erstmals berichtet der IPCC auch regional über die zu erwartenden Klimafolgen. Dänemark zählt zur Region Nordeuropa (NEU). Foto: Weltklimarat (IPCC)

Klimafolgen in Nordeuropa

Bei einer globalen Erwärmung von zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit werden Starkregen und durch die Niederschläge verursachte Überschwemmungen mit hoher Wahrscheinlichkeit zunehmen. Denn wärmere Luft kann auch mehr Wasser speichern. Insgesamt wird im Winter mehr, und im Sommer weniger Niederschlag fallen.

Als wahrscheinlich gilt in diesem Fall weiterhin, dass es nicht unbedingt mehr, aber mehr starke Stürme geben wird. Flussüberschwemmungen werden hingegen seltener. Das liegt hauptsächlich daran, dass im Winter weniger Schnee fällt. Dadurch werden die sonst häufigen Frühjahrshochwasser bei der Schneeschmelze seltener.

Die Szenarien des IPCC

Der IPCC-Bericht (Intergovernmental Panel on Climate Change) wertet die Klimaveränderungen und ihre Folgen anhand fünf verschiedener Szenarien aus, die sich auf die globalen CO2-Emissionen beziehen. Das Pessimistischste prognostiziert die Folgen bei einer Verdoppelung des CO2-Ausstoßes bis zur Mitte des Jahrhunderts. Das Optimistischste simuliert eine Welt, die bis 2050 klimaneutral ist und danach sogar noch CO2 aus der Atmosphäre zurückholt. Die anderen drei Szenarien liegen dazwischen.

Bericht prognostiziert auch europaweite Folgen

Für ganz Europa ist aufgrund seiner großen Landmasse eine Erwärmung über dem globalen Durchschnitt zu erwarten. Unabhängig von den weiteren Treibhausgasemissionen werden in den nächsten Jahren die Häufigkeit und Intensität extremer Hitzeperioden zunehmen.

Hingegen werden Kälteeinbrüche und Frosttage seltener.

Bei einer Erwärmung um zwei Grad werden zudem verschiedene Schwellenwerte überschritten, die für die europäischen (und globalen) Ökosysteme relevant sind. Das heißt, dass ihre Zerstörung in diesem Fall nicht ohne Weiteres rückgängig gemacht werden kann.

Unabhängig vom Grad der globalen Erwärmung wird der relative Meeresspiegel in allen europäischen Gebieten mit Ausnahme der Ostsee steigen. Bis 2100 je nach Szenario zwischen rund einem halben und einem Meter. Die Veränderungen werden sich aber mit Sicherheit über das Jahr 2100 hinaus fortsetzen.

Sturmfluten wie hier am Seedeich bei Hoyer 2015 könnten in Zukunft häufiger auftreten. Vielleicht wird dann auch der Höchststand an der Sturmflutsäule von 4,97 Metern aus dem Jahr 1981 überschritten. (Archivbild) Foto: Volker Heesch

Extremwetterlagen wie Sturmfluten werden häufiger und intensiver auftreten und zu mehr Überschwemmungen an den Küsten führen. Die Küstenlinien entlang der Sandküsten werden sich im 21. Jahrhundert zurückziehen.

Das sagt das Dänische Meteorologische Institut

Martin Stendel, Seniorforscher am Dänischen Meteorologischen Institut (DMI), reagiert nüchtern auf den neuen Bericht: „Wer von den Ergebnissen überrascht ist, hat die früheren Berichte nicht gelesen. Die Kernaussagen sind seit über 30 Jahren bekannt – nun werden sie nur deutlicher formuliert.“ Die genaueren Modelle würden dies nun möglich und sogar erforderlich machen.

Pariser Abkommen

Das Übereinkommen von Paris gibt einen globalen Rahmen zur Bekämpfung des Klimawandels vor. Die Erderwärmung soll deutlich unter 2 Grad gehalten werden, am besten unter 1,5 Grad. Außerdem sollen die Länder sich gegenseitig bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels unterstützen.

Es ist die erste umfassende und rechtsverbindliche weltweite Klimaschutzvereinbarung und wurde im Dezember 2015 auf der Pariser Klimakonferenz (COP21) beschlossen. Zu den fast 190 Vertragsparteien zählen auch die EU und ihre Mitgliedsstaaten.

Verhindern, dass es noch schlimmer wird

Die Fakten sprechen eine klare Sprache: Selbst wenn wir das Pariser Abkommen einhalten, wird es mit den Wetterextremen nicht besser. Wir können nur verhindern, dass es noch schlimmer kommt. Denn mit jedem zusätzlichen Grad nehmen die Extreme an Häufigkeit und Intensität zu.

Wir müssen so schnell wie möglich den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren.

Martin Stendel, Seniorforscher am Dänischen Meteorologischen Institut (DMI)

Die kommenden Jahre werden richtungsweisend sein, denn Veränderungen die auf Treibhausgasemissionen zurückzuführen sind, sind für Jahrhunderte bis Jahrtausende unumkehrbar.

„Jede Tonne CO₂ erhöht die Erwärmung und macht das Erreichen des Zwei-Grad-Ziels unwahrscheinlicher. Daher müssen wir auch so schnell wie möglich die Klimaneutralität erreichen“, sagt Stendel. Dabei sieht er auch Dänemark in der Pflicht: „Auch wenn Dänemark ein kleines Land ist, ist der Pro-Kopf-Ausstoß sehr hoch. Jeder Einzelne kann einen Beitrag leisten, aber auch die Gesellschaft als Ganzes muss umdenken. Mit dem schon jetzt hohen Anteil erneuerbarer Energien hat Dänemark eine gute Basis – diese gilt es nun zu nutzen.“

Hier geht es zum IPCC-Bericht mit den detaillierten Informationen.

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