Wut-Kommentare
„Diese Parasiten“ – Hass im Netz
„Diese Parasiten“ – Hass im Netz
„Diese Parasiten“ – Hass im Netz
Sharon Millar von der SDU erforscht Hass-Kommentare im Internet. Die Entmenschlichung ist dabei eine oft gewählte Methode
Sharon Millar von der SDU erforscht Hass-Kommentare im Internet. Die Entmenschlichung ist dabei eine oft gewählte Methode.
Sharon Millar kennt sie, die menschlich hässlichen Auswüchse in den Kommentarspalten unter online erschienenen Zeitungsartikeln. Als Vizeleiterin am Institut für Sprache und Kommunikation der Süddänischen Universität (SDU) taucht sie derzeit tief ein in das im Netz zu findende Gemisch aus vergifteten Sätzen und hasserfüllten Worten. Mit einer Forschergruppe will Millar wissen: Wie sind Wut-Kommentare sprachlich aufgebaut? Folgt der Hass-Sprech im Netz bestimmten methodischen Prinzipien?
Millar leitet eine Forschergruppe an, die Teil des EU-Forschungsprojektes C.O.N.T.A.C.T ist, das seine Ergebnisse unter www.reportinghate.eu bündelt. Im Herbst stellt ihr Team die Ergebnisse der zweijährigen Forschungsarbeit vor.
„Im Netz redet man in Kommentaren meistens über andere, nicht mit anderen. Man sagt es den Betreffenden nicht ins Gesicht. Das macht es sozusagen einfacher. Oft werden ganze Menschengruppen beschimpft, diskriminiert und bedroht, mit denen man im Grunde nichts zu tun hat. Man redet innerhalb einer Gruppe über eine andere Gruppe. Da fällt es leichter, andere niederzumachen“, erklärt Sharon Millar.
Ihr Team befragte unter anderem Studenten, ob der raue Ton im Netz mittlerweile akzeptabel ist oder ob der sogenannte Hass-Sprech im Netz vermehrt unter Strafe gestellt werden sollte.
Dabei ging es um Kommentare wie diesen zur Flucht von Menschen über das Mittelmeer: „Einfach Löcher ins Gummiboot machen, dann haben die Fische auch gleich Futter.“
„Eine Debatte, die noch geführt werden muss.“
„Die meisten der Befragten waren sich einig, dass solche Kommentare nicht akzeptabel sind. Viele denken, dass Hass-Sprech illegal ist. Aber das ist es nicht. Schwerwiegende Kommentare müssen erst konkret angezeigt werden, damit ermittelt wird. Das kommt aber nicht sonderlich oft vor. Das ist eine Debatte, die noch geführt werden muss: Wo verläuft die Grenze? Wo endet die Meinungsfreiheit? Wo muss man Grenzen ziehen?“
Generell sei die politische Debatte rauer geworden, sagt Sharon Millar. Menschen seien frustriert und hätten Angst. Innerhalb einer Gruppe entstehe dann schnell eine Eigendynamik. „Man kann klar sagen: Hinter Hass-Kommentaren steht oft nicht das Gefühl des Hasses, sondern ein anderes. Angst oder Unsicherheit. Die Menschen reagieren oft aggressiv, wenn sie sich bedroht fühlen. Sprache ist für sie dann ein gutes Werkzeug. Damit kann man einteilen in ,Wir’ und ,die anderen’. Und wenn man sagt, man sollte alle Muslime vergasen, dann ist das nichts, was man wirklich plant. Oder wenn man schreibt, man sollte ,die Parasiten’ erschießen, dann wären die wenigsten in der Lage, es tatsächlich zu tun. Nur manchmal ist es doch so, dass Hass-Sprech zu hasserfüllten Taten führt.“
Entmenschlichung als Werkzeug
Ob sie nach all den menschenverachtenden Kommentaren, die sie gelesen hat, noch an das Gute im Menschen glaubt? „Das ist schwer zu beantworten. Ich denke, oft würden sich die Leute anders ausdrücken, wenn sie darüber nachdenken würden, was sie da schreiben. Daher ist es nötig, die Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass sie über andere Menschen schreiben. Nicht über ,Ratten‘, sondern über Menschen!“ Ein Werkzeug der Hass-Kommentatoren sei diese Dehumanisierung.
„Typisches Beispiel: ,Diese Parasiten‘. Wer das sagt, denkt nicht mehr sonderlich daran, dass es eben keine Parasiten, sondern Menschen sind. Oft wird auch im Bezug auf Flüchtlinge von einer Pest-Welle oder einem Tsunami gesprochen. Da werden sprachliche Mechanismen zu Werkzeugen der Diskriminierung. Auch Humor und Sarkasmus spielen eine Rolle. Humor kann oft auch hässlich sein.“
Sharon Millar ist gespannt, wie sich der Umgang mit Hass-Kommentaren entwickeln wird. „In Deutschland ist ein Gesetz im Gespräch, das Hass-Kommentare eindämmen soll, in Großbritannien ist es Thema, und Norwegen hat einen Handlungsplan erstellt. Fest steht, dass auch in Dänemark noch viel zu tun ist, damit der Hass im Netz nicht zu etwas wird, an das wir uns einfach nach und nach gewöhnen.“